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Anmoderation von Hans Falkenau:
Was sagt Ihr dazu, dass Kleopatra in einer neuen Netflix-Serie von einer schwarzen Schauspielerin gespielt wird?

Kommentare (11)

Conny • 01.05.2023
Um mal das große Fass "wer darf/soll was darstellen" beim Schauspiel aufzumachen: wie immer beim Erkämpfen von neuem Terrain gibt es sowhl überschießende Aktionen/Provokationen und überschießende abwehrende Reaktionen, bis sich das Ganze dann hoffentlich wieder im normalen Bereich einpendelt. So weit so klar.
Vor Shakespeares Zeit wurden die Frauenrollen von Männern gespielt, 1660 waren die ersten Frau mit großem Skandal auf der Bühne in England zu sehen, im 18. Jh auch in Deutschland, 300 Jahre später wird die Shakespeare Rolle des Adeligen Don Pedro von Aragon in "Viel Lärm um nichts" mit Denzel Washington besetzt - allerdings ohne ihn weiss zu schminken und spanisch aussehen zu lassen, wie das in umgekehrten Falle in der Anfangszeit des Filme üblich gewesen wäre (siehe Kleopatra). --- Wir sehen also einen langer Weg der Veränderungen.
Zwei weitere Filme will ich erwähnen, weil sie damals als ungewohnt und innovativ durch ihre Besetzung auffielen:
1987 Der letzte Kaiser - mit auschließlich asiatischen Schauspielern und 1990 Der mit dem Wolf tanzt - mit ausschließlich indianischen Schauspielern in den entsprechenden Rollen. Um solch große Produktionen mit so vielen Darstellern, die den richtigen "look" haben casten zu können, muss man natürlich auch genügend Darsteller mit den entsprechenden Fähigkeiten für Hauptrollen zur Verfügung haben. Das zeigt eigentlich nur die Entwicklung unserer Welt, die durch die Mobilität ca. ab den 80ger Jahren sehr viel durchmischter geworden ist. Zum anderen zeigt das zweite Beispiel die neu erkämpfte Bereitschaft, Laiendarstellern und noch dazu indigenen überhaupt die Chance zu geben, sich in guten und detailliert beschriebenen Charakterrollen zu präsentieren. Einige dieser Darsteller z.B. Wes Studi (Cherokee) hat danach eine erfolgreiche Filmkarriere gemacht, darunter auch Rollen, die nichts mit seiner Herkunft zutun haben.
Zum Schluss noch einen Kommentar zu einem Vorwurf, den ich auch schon gehört habe, nämlich dass Menschen mit Behinderung nicht von Schauspielern ohne Behinderung dargestellt werden sollten. Das fällt für mich in die Rubrik "überschießende Forderung". Wenn es physisch und psychisch möglich ist und passt - warum nicht, wie das RJ Mitte in "Breaking Bad" vorführte. Bei sehr schweren Einschränkungen wäre das allerdings weder im Sinne der Betroffenen noch des Films, der sich dann meiner Meinung nach zurecht voll auf die Schauspielkunst eines Daniel Day-Lewis (My left foot) oder Leonardo di Caprio (What’s Eating Gilbert Grape) etc. verlässt.
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Hans Falkenau • 01.05.2023
Das sind - wieder einmal - gute Einwürfe und Beispiele. Wobei bei „Der mit dem Wolf tanzt“ sicherlich auch von den „woken“ Zeitgenossen nicht kritisiert werden kann.
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Renking • 02.05.2023
Warum sollte man den Film kritisieren? Der Film ist hervorragend besetzt (wie Conny oben schon schrieb) und die Indianer werden nicht als kriegerisches Volk von "Idioten" dargestellt, wie es sonst leider häufig der Fall ist.
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Conny • 01.05.2023
Danke - schade, dass die Themen immer so schnell in der Versenkung verschwinden, bevor sie tiefer diskutiert werden.
Hier noch ein kurzer Gedanke: in der Oper ist es schon sehr lange so, dass die Sänger nicht wirklich so aussehen wie die Helden der Geschichte: sie sind zu alt oder zu dick oder sie sehen aufgrund der Ethnie anderes aus als der Plott vorschreibt. Das ist aber egal, dank Maske, Kostüm und vorallem dank der Stimme, die die Illusion trägt und dank ihrer Kunst verzaubert und den Zuhörer in die Geschichte eintauchen lässt. Also, die Diskussion darüber, ob Madame Butterfly nur noch von einer Asiatin dargestellt werden kann, ist Humbug.
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Conny • 01.05.2023
Übrigens lesen auch Hörbuch Künstler - Männer wie Frauen - gleichermaßen virtuos ALLE Rollen ihrer Geschichte.
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René Nehring • 30.04.2023
Persönlich denke ich bei solchen Verfilmungen immer sehr liberal und im Sinne der künstlerischen Freiheit. Wenn also ein paar Filmemacher den Denkanstoß geben wollen, darüber nachzudenken, wie die historische Kleopatra aussah, und ihre Rolle mit einer farbigen Schauspielerin besetzen, sage ich mir: "Warum nicht?" Michael Jackson besetzte 1992 für sein Video "Remember the Time" die Rolle des Pharao mit Eddie Murphy und die Rolle der Pharaonin mit der Somalierin Iman Abdulmajid – und niemand hat sich darüber aufgeregt. Gut, es ging damals nicht um eine konkrete historische Figur, aber das Grundprinzip war ähnlich.

Allerdings: Wir erleben seit Jahren, wie "woke" Ideologen in die andere Richtung keinerlei Liberalismus zeigen. Wenn zum Beispiel ein Hamlet-Darsteller dunkelbraun angemahnt wird oder wenn Europäer Indianer spielen, dann gibt es kein Pardon – und keine künstlerische Freiheit.
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Grüne Flora • 30.04.2023
Hättest Du den zweiten Absatz nicht geschrieben, hätte ich Dir zugestimmt. Aber so …

Man kann doch wohl nicht eine farbige Kleopatra auf eine Stufe stellen mit dem Veralbern der ausgerotteten indigenen Völker Nordamerikas durch weiße Schauspieler!
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Conny • 30.04.2023
René hat nicht von Veralbern sondern von spielen gesprochen. Die schwarze Schauspielerin hat Kleopatra gespielt, weiße Schauspieler haben Indianer gespielt.
Wo ist jetzt da der Unterschied?
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Grüne Flora • 01.05.2023
Mein Vorwurf des Veralberns bezog sich darauf, dass „Indianer“ in vielen Western-Produktionen als rückständig und dumm sowie als kriegerisch dargestellt werden, die im Prinzip zurecht weichen mussten, damit ein paar weiße Siedler „Gods own Country“ errichten konnten. Winnetou ist ja eher die Ausnahme.

Kleopatra wurde nie so dargestellt. Deshalb ist es ein Unterschied, ob weiße Schauspieler „Indianer“ spielen oder eine farbige Schauspielerin eine Heldin der Antike spielt.
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Renking • 02.05.2023
Ich denke, auch wenn weiße Schauspieler Indianer spielen, hängt es immer von der Darstellung ab. Andersrum ist es genauso.
Es geht einfach immer um die respektvolle Darstellung.
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Conny • 02.05.2023
korrekt - da sind wir ja inzwischen schon weiter gekommen.
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